Mutlanger Delegation in Wien
Mitglieder der Friedenswerkstatt reisen zur ersten Staatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags
Nachdem bereits im März junge Menschen mit Unterstützung der Friedenswerkstatt für eine politische Bildungsreise in Wien waren, fand im Juni endlich das erste Treffen der Mitgliedstaaten (engl: Meeting of State Parties, MSP) des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) statt.
Auch für die gesamte „Nuclear Ban Week“, die über drei Tage andauernde Staatenkonferenz und die dazu gehörenden Events der Conference on the humanitarian impact of nuclear weapons (Konferenz über die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen) sowie des ICAN Nuclear Ban Forums konnten wir für die und mit der Friedenswerkstatt Mutlangen anwesend sein.
Viele von uns kamen bereits am Freitag nach Wien, um uns gegenseitig kennen zu lernen und uns auf das Auftaktwochenende – das ICAN Nuclear Ban Forum – vorzubereiten.
ICAN Nuclear Ban Forum, 18.-19. Juni 2022
Das ICAN Nuclear Ban Forum, welches über das Wochenende vom 18.-19. Juli in der Aula der Wissenschaften in Wien stattfand, war für uns die perfekte Gelegenheit uns noch einmal intensiv auf die kommende Staatenkonferenz vorzubereiten. Einerseits thematisch durch die dort stattfindenden Workshops und Vorträge, als auch sozial als Gruppe durch die Zeit die wir dort miteinander verbringen konnten. Als das am wenigsten formelle Event der Woche gab uns das Forum die Möglichkeit eines „sanften“ Starts.
An nur zwei Tagen fanden im Rahmen des Forums, das von circa 600 Menschen besucht wurde, eine Vielzahl von Workshops, Vorträgen und Panel-Diskussionen mit 40 verschiedenen Referent:innen aus aller Welt statt.
Die thematischen Schwerpunkte, die bei den während des Forums diskutierten Inhalten gesetzt wurden, waren beispielsweise die Auswirkung auf und Intensivierung von bestehenden Ungerechtigkeiten und Vulnerabilitäten durch die stärker werdende nukleare Bedrohung. Aber auch das Konzept der nuklearen Abschreckung, die Macht internationaler Gesetze und Verträge als auch Strategien sozialer Bewegungen und deren effektive Umsetzung wurden diskutiert. Außerdem gab es Veranstaltungen zu den Themen Feminismus & nukleare Abrüstung, zum Zusammenhang von Kolonialismus mit nuklearer Bewaffnung und Bedrohung, zu den Auswirkungen nuklearer Waffentests und zur Verbindung zwischen Abrüstung und Klimaschutz.
Da viele Veranstaltungen gleichzeitig stattfanden und natürlich alles interessant war, haben wir uns meist (mal mehr mal weniger koordiniert) aufgeteilt und dann gegenseitig berichtet, was wir erfahren haben.
Durch die vielen Anwesenden Expert:innen und Aktivist:innen konnten viele außerdem erfolgreich Menschen kennen lernen und netzwerken.
Conference on the Humanitarian Impact of Nuclear Weapons 20. Juni 2022
Am Montagmorgen machten wir uns dann, nach dem im besten Sinne übervollen Wochenende, auf zur UNO City, um die Humanitarian Impact Konferenz im Austria international Center zu besuchen.
Die regelmäßig stattfindende Konferenz hat das Ziel über die Auswirkungen der Nutzung nuklearer Waffen sowie der nuklearen Waffentests zu informieren. Dabei wird versucht die Dringlichkeit von Abrüstung und Unbedingtheit der Ächtung von Atomwaffen zu illustrieren und zum anderen um Wissenschaftler:innen, Staatenvertreter:innen, Betroffene und Zivilgesellschaft und deren verschiedene Perspektiven zusammenzubringen.
Auch hier lag in diesem Jahr ein Fokus auf die Auswirkungen von Nuklearwaffentests, die von Atommächten mehrheitlich auf den Gebieten (ehemalig) kolonisierter Staaten durchgeführt und deren verheerende Wirkung lange nicht anerkannt wurde. Die durch und für die Konferenz erlangten Erkenntnisse sollen unter anderem für eine bessere und ganzheitlichere Opferhilfe genutzt werden.
Tief beeindruckend und bewegend wurde von uns das Statement der internationalen Rotkreuz/Rothalbmond Vereinigung zu den Möglichkeiten humanitärer Hilfe im Falle eines Atomschlags empfunden. Im Rahmen dessen legte der Referent eindrucksvoll und bedrückend dar, dass die Kapazitäten der internationalen humanitären Hilfe selbst im Falle eines Angriffs mit einem „kleinen“ atomaren Sprengsatz nicht ausreichen würden, adäquat reagieren zu können.
Die Konferenz war für uns alle sowohl inhaltlich als auch durch ihr im Vergleich zum Nuclear Ban Forum viel formaleres Setting extrem interessant und lehrreich.
Meeting of the States Parties 21.-23. Juni 2022
Die Mitte der Woche wurde vom programmatischen Höhepunkt, der Staatenkonferenz, ausgefüllt.
Drei Tage lang fuhren wir jeden Morgen zur UNO City, betraten das Gelände durch eine Sicherheitskontrolle und verbrachten dann den Tag damit im Plenarsaal zuzuhören und Notizen zu machen, die zahlreichen Side Events zu besuchen und uns mit anderen Aktivist:innen über das Gehörte auszutauschen.
Der gesamte erste Tag als auch der Morgen des zweiten Tages wurden zu großen Teilen von den „General Statements“ der anwesenden Parteien eingenommen. Diese haben sich auf die hierfür vorgesehene Redeliste hatten setzen lassen, um ihren Standpunkt klar zu machen. Dominiert wurde dieser Teil der Konferenz von Statements, die ihre Zustimmung zum AVV zum Ausdruck brachten und künftige weitere Zusammenarbeit gelobten. Dabei war für uns das Youth Statement besonders eindrucksvoll, welches auf die große Auswirkung der nuklearen Bedrohung auf junge Menschen hingewiesen hat.
Viel Aufmerksamkeit bekamen die Statements der als Beobachter anwesenden NATO-Staaten, insbesondere Deutschland (wobei das große Interesse am deutschen Statement wohl auch an der sehr zahlreichen Anwesenheit deutscher Zivilgesellschaft lag).
Die deutsche Vertretung betonte in ihrem Statement, dass Deutschland das Commitment des AVV zu einer friedlichen Welt teile und die Ziele des AVV gutheiße. Allerdings werde Deutschland an seiner nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO festhalten und habe keinerlei Absichten dies zu ändern. Dieser Standpunkt wurde im Gespräch zwischen den deutschen Vertretern und der Mutlanger Delegation auch noch einmal betont. Deutschland bekundete Interesse an der Hilfe für Betroffene von nuklearen Waffentests und Waffeneinsätzen, bedingte allerdings, dass es sich nur an Betroffenenhilfe beteiligen werde, die nicht im Rahmen des AVV stattfände.
Nachdem die Statements der Staaten mit nuklearer Teilhabe auf viele von uns ernüchternd wirkten, riefen wir uns allerdings in Erinnerung, dass bereits die Anwesenheit dieser Staaten als Beobachter einen Schritt in die richtige Richtung und eine Verbesserung gegenüber den letzten Jahren darstellt.
Die Staatenkonferenz endete mit viel Enthusiasmus über das Geschaffte und mit großer, spürbarer Motivation die Arbeit an der Abolition nuklearer Waffen fortzuführen.
Für uns, die Mitglieder der Delegation, stellte die Reise nach Wien eine einzigartige Möglichkeit dar internationale Politik mitzuerleben, Teil einer wichtigen friedenspolitischen Entwicklung zu sein, andere Aktivist:innen zu treffen und sich weiter zu bilden. Wir sind alle sehr dankbar Teil der Jugenddelegation gewesen sein zu dürfen und diese spannende, lehrreiche, emotionale, einzigartig wunderbare Woche erlebt zu haben.
Vivian Hahn
Praktikantin Friedenswerkstatt Mutlangen